Sibylle Berg

Das wird schon. Nie mehr lieben!

Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin / August 2006

mit Katrin Huke, Brigitte Peters, Anja Werner, Jochen Fahr

Bühne und Kostüme: Holger Syrbe
Musik: John R. Carlson

Fotos: Kristina Schade

DIE KRISE ALS SOUFFLÉ

Alles ist befreit, wir leben nach der Orgie. Derart sinnschwanger doziert das Klageweib als Philosophin. So beginnt ein Kurs für Singles: Frauen alleine zu haus, sozusagen alleiner noch bei sich selbst. Was tun? Am besten nie mehr Mann! Das kann Frau lernen. Dabei zuschaun kann man im E-Werk. (…) Brigitte Peters serviert die Abgestandene als vornehm-betuliche Tante, die resigniert hat vor der Unbildung der Kerle. Rückschau in Wehmut, Selbstmitleid, Panik. Katrin Huke befeuert die Abgestellte mit unversiegter Hoffnung, bekämpft Enttäuschung mit Temperament. Eine Hohn, Wut, Lust sprühende Gestalt, umwerfend als Fettfass. Beide voller Witz, wenn sie neben die Rollen treten. (…) Und so begleitet Jochen Fahr als Wandel – Mann die zwei Einsamen angemessen lässig, schnoddrig, gelangweilt und oft mit einem unverschämten Grinsen. Zum Mitschmunzeln. Holger Syrbe hat für das Fastfoodspielchen ein Kuschellabor aus weißem Flokati gebaut. Es hat Gänge, die wie ein Irrgarten anmuten. Regisseurin Lydia Bunk benutzt sie als Gräben, die immer wieder übersprungen werden müssen. Im Hintergrund lodert der Kamin, der ein Bildschirm ist. Schöner wohnen eben. Der Kursleiter taucht bedeutsam aus einem gedeckelten Loch auf. Außer dem Baudrillard- Prolog hat die Regie Softpop sowie Videos von menschlicher Zuneigung und tierischer Kopulation eingesetzt. Zum Nachsinnen. Anja Werner als beflissene Oberseminarassistentin, die auch mit Songs kommentiert, das Mikro mal wie ein Phallus handhabt, lieber als einen Mann ein Frettchen, den bissigen Jäger schmust, die Sprücheklopferin also sagt es wie im Spott: Wären Filme wie die Realität, dauerten sie fünf Minuten. (…)

(Schweriner Volkszeitung)

(…) Auch Sibylle Bergs neues Stück ist locker und leicht, witzig und spritzig. (…) Und genauso hat es Lydia Bunk im E-Werk des Schweriner Staatstheaters inszeniert. Dort hinein hat Holger Syrbe ein Labyrinth gebaut, bestehend aus mit weißem Flausch überzogenen Podesten: Irrgarten weiblicher Sehnsüchte und Enttäuschungen, dem zwei namenlose Frauen, die eine Mitte 30 (Katrin Huke), die andere Ende 40 (Brigitte Peters) für immer entrinnen wollen. Denn die beiden haben die Schnauze gestrichen voll von den Männern. Der Versuch der ultimativen Befreiung vom Mann erfolgt mit Hilfe eines weiß gekleideten Psychologen (Jochen Fahr) und dessen schwarz verhüllter Assistentin (Anja Werner) in einer Art Workshop. (…) Sibylle Berg bauscht das Liebesleid der Schicksalsgenossinnen nicht zur großen Tragödie auf und Lydia Bunk bestückt die Aufführung nicht mit schwerem feministischen Geschütz. ätzend scharf ist das komödiantische, mit Musik und Video aufgemischte Spiel, trotzdem. Wenn die jüngere Frau sich aus Kummer mit Süßigkeiten voll stopft, bis sie fast platzt, und die ältere mit einem rührenden Bauchtanz versucht, ihren sexunwilligen Partner aufzurütteln, dann ist das sehr spaßig und traurig in einem. Den vier Darstellern gelingt einfach alles. Die Dialoge blitzen, die Aktionen sitzen. Ein großes Vergnügen.

(Lübecker Nachrichten)